Der Garten meiner Eltern

Der Garten meiner Eltern war riesig als ich klein war und viel zu eng als ich größer wurde. Im Sommer verbrachten wir die Ferien dort und da war diese Sehnsucht nach Ferne nach dem Irgendwoanderssein nur nicht hier wo nichts passiert außer dem Wachsen der Gräser und den immer zur selben Zeit quietschenden Rädern der nahen Rangierbahnen, die doch nur von einem Gleis zum anderen fuhren und zurück und die Sonne bot nichts als sengende Langenweile denn mit wem sollt ich sie teilen am Abend mit wem.

Doch wie schön war es morgens aufzuwachen, die Sonne ganz frisch, leicht neblig und der Tau glitzerte auf den Blütenblättern ein zartes Prickeln ein kleiner Gänseschwarm krakeelte auf meiner Haut mein Atem stieß kleine Wölkchen hervor noch hatte der Morgen die Kraft. Zeit endlos viel Zeit und alles war Anfang ich ging den schmalen Steg hinab Tomaten blassrot und fest unter Grün spürte den ganzen jungen Tag, die Kühle der Nacht die künftige Wärme der Sonne in dieser Frucht in die ich hineinbiss den Saft herausschlürfte süßlich leicht bitter der letzte Tropfen und ein Duft nach Erde, so weit.

Meine Augen fingen das Licht ich drehte mich sanft und über mir kreiselten Wolken dann stand ich still ich stand still und lauschte in die Weite hinein. Man muss gar keine Romane schreiben große Häuser bauen oder Weltfrieden stiften man muss einfach nur sein an einem Morgen wie diesem und hören. Die Meisen fingen an mit ihrem Zwitschern Rotkehlchen stimmten ein in der Ferne klapperte ein Specht und der Wind zurrte an den Ästen. Ein Knacken ein Rauschen tänzelndes Funkeln im Reigen der Blätter Sternenblinzeln am Tag.

Das Maunzen der Katze ließ die Vögel verstummen im Nu hatte sich alles verändert kein Flattern kein Zittern der Blätter kein vorlautes Zwitschern und selbst der Wind hielt den Atem an im Flug. Die Graubunte mit sonnengewärmtem Fell ich gab ihr Milch als sie unterm Gebüsch verschwunden war kamen die Meisen wieder und eine Amsel die zaghaft ihren Schnabel in lockeren Boden stupste. Der Wurm zappelte noch sie flog davon im nahen Geäst fünf Sonnenstrahlspitzen hungrig nach Leben.

So nah war ich dem Tag so nah und eine Hummel landete auf meiner Hand weich war ihr Pelz und tiefschwarz flog sie davon, wohin.

Als ich fortging war kein Bedauern ich ging in das Leben das draußen tobte ich könnte ja jederzeit wenn ich wollte zurück und Morgen wie diese gibt’s viele wer denkt schon an die Vergänglichkeit von Orten und Menschen an Wurzeln die sterben wenn Äste noch grün sind wer denkt schon an die Zeit nach der Möglichkeit zurückzugehen, wer.

Und manchmal verspüre ich diese Sehnsucht nach Ferne nach dem Irgendwoanderssein dem Ort der nach Weite klingt und dem Nebel am Morgen mit blassroten festen Tomaten dem Meisenzwitschern der Hummel den Gräsern die wachsen ich sehe den Garten vielleicht wäre er jetzt wieder riesig, vielleicht.

 

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